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Kinderwunsch: Folat oder Folsäure und in welcher Dosierung?

Geht das nur mir so, dass ich die Empfehlungen zur Nahrungsergänzung bei Kinderwunsch manchmal ganz schön verwirrend finde: Was genau sollte man denn nun  einnehmen: Folsäure oder Folat und in welcher Menge?

Folsäure schützt vor Fehlbildungen des Neuralrohrs

Grundsätzlich besteht wohl kein Zweifel daran, dass es superwichtig ist, ausreichend Folsäure zu sich zu nehmen, wenn man schwanger ist oder bald schwanger werden möchte.
Dieses B-Vitamin hilft nämlich, sogenannte Neuralrohrfehlbildungen zu vermeiden. Dazu gehören Fehlbildungen des Rückenmarks und auch des Gehirns, und die sind alle sehr schwerwiegend. In den USA sind von solchen Missbildungen jährlich immerhin 3000 Babys betroffen.

Folsäure bereits ab Kinderwunsch ergänzen

Gemäß den Gesundheitsbehörden der meisten Länder sollten Frauen bereits einen Monat vor der Empfängnis und bis zum Ende des ersten Schwangerschaftsdrittels täglich mindestens 400 µg Folsäure zusätzlich zu sich nehmen, um damit das Risiko für solche Fehlbildungen um bis zu 70 % zu verringern – das sind schon eindrückliche Zahlen. Manche Studien weisen außerdem darauf hin, dass auch das Risiko anderer angeborener Fehlbildungen deutlich verringert wird (wie beispielsweise Hasenscharte oder bestimmte angeborene Herzfehler).

Die Nahrungsergänzung bereits vor der Empfängnis ist deswegen so entscheidend, da sich das Neuralrohr des Babys bereits ganz zu Beginn seiner Entwicklung ausbildet, zu einem Zeitpunkt, zu dem die meisten werdenden Mütter noch gar nichts von ihrem Glück wissen!
Jedoch sind die Angaben dazu, welche Art Folsäure in welcher Dosierung wirklich genommen werden sollte, zum Teil etwas verwirrend. Da ist immer wieder davon die Rede, dass Folsäure und Folat eben nicht das gleiche seien. Ich möchte hier im heutigen Blog einmal für etwas Entwirrung sorgen:

Überbegriff Folat

Folat ist der Überbegriff sowohl für die natürlicherweise in der Nahrung vorkommenden Folate, als auch für die künstlich hergestellte Folsäure, die für Nahrungsergänzungsmittel genutzt wird. Die Bioverfügbarkeit der natürlichen Nahrungsfolate ist nur halb so gut wie die der künstlichen Folsäure, weswegen auch bevorzugt eben diese genutzt wird – außerdem ist sie auch noch deutlich stabiler.

Folsäure muss im Körper umgewandelt werden

Für das Verständnis ist wichtig zu wissen, dass beide Arten, sowohl natürliche als auch künstliche, im Körper erst einmal in die aktive Form 5-Methyltetrahydrofolat (5-MTHFR) umgewandelt werden müssen. Das geschieht bereits im Verdauungssystem, wenn es sich um natürliche Nahrungsfolate handelt. Synthetische Folsäure hingegen wird in der Leber und anderen Geweben umgewandelt.

MTHFR Enzym

Für die Umwandlung bedarf es eines Enzyms, das den Vorgang katalysiert, die Methyltetrahydrofolatreduktase (MTHFR). Wie schnell und effektiv die Umwandlung im Körper erfolgt, hängt von der Anwesenheit und Funktionsfähigkeit eben dieses Enzyms ab. Nun ist es so, dass geschätzte 8-10 % der Bevölkerung eine genetische Variante des Enzyms haben, wodurch die Umwandlung weniger effektiv abläuft. Für diese Personen, so legen viele Studiendaten nahe, genügt die normalerweise von den Gesundheitsbehörden empfohlene Menge von 400 µg Folsäure pro Tag nicht aus.

Höhere Dosierung bringt Vorteile

Prinzipiell gibt es momentan zwei Möglichkeiten, auch die Träger dieser genetischen Variante ideal mit Folsäure zu versorgen: Entweder, sie nehmen gleich die aktivierte Folsäure zu sich, oder sie verzehren statt der empfohlenen 400 µg einfach die doppelte Menge von 800 µg pro Tag, und erzielen so genauso zuverlässig den schützenden Blutlevel an Folat.

Das American Center for Disease Control (CDC) empfiehlt eindeutig, Folsäure gegenüber der aktiven Form von Folat zu bevorzugen, da es so viele wissenschaftliche Daten zur Folsäureverwendung gibt, während es nur wenige Studien gibt, die mit aktivem Folat durchgeführt wurden:

„Folsäure ist die einzige Folatart, die nachweislich zur Vorbeugung von Neuralrohrdefekten beiträgt.“

Nach Meinung von Professor Christian Thaler, dem Leiter der Abteilung für Endokrinologie und Kinderwunschmedizin der Universitätsfrauenklinik München, ist eine höhere Folsäure Dosierung auch vorteilhaft im Hinblick auf die Fruchtbarkeit und den Erfolg einer Kinderwunschbehandlung bei Trägerinnen der genetischen Variante des MTHFR Enzyms.
Die Einnahme von 800 µg Folsäure bei Kinderwunsch ist aber auch für andere Personengruppen eine interessante Option, und zwar besonders dann, wenn frau es recht eilig hat mit der Erfüllung des Kinderwunsches. Der schützende Blutwert für Folsäure wird mit dieser Dosierung nämlich doppelt so schnell erreicht wie mit 400 µg!
Neue wissenschaftliche Daten, die 2016 von dem amerikanischen Forscher Jorge Chavarro von der renommierten Harvard Universität veröffentlicht wurden, weisen zudem noch auf einen weiteren Vorteil einer solchen höheren Dosierung der Folsäure hin: Nach Auswertung riesiger Datenmengen großer amerikanischer Studien an Krankenschwestern fand er nämlich, dass die Einnahme von mehr als 730 µg Folsäure am Tag auch das Risiko einer Fehl- und Todgeburt deutlich reduzierte.

Was heißt das in der Praxis?

Nach diesen Erkenntnissen kann sich jede Frau mit Kinderwunsch wohl am sichersten fühlen, wenn sie täglich von Kinderwunsch bis zum Ende des ersten Schwangerschaftsdrittels zusätzlich 800 µg Folsäure über Nahrungsergänzungsmittel zu sich nimmt (so z.B. enthalten in Fertilovit®F35plus, aber auch in den speziellen Fertilovit® Präparaten für Frauen mit Autoimmunthyreoiditis, Endometriose oder PCOS).

Referenzen:

https://www.cdc.gov/ncbddd/folicacid/mthfr-gene-and-folic-acid.html

Chavarro JE, Rich-Edwards JW, Gaskins AJ, Farland LV, Terry KL, ScD, Zhang C,
Missmer SA, Contributions of the Nurses’ Health Studies to Reproductive Health Research AJPH 2016, Vol 106, No. 9

Pietrzik K. et al.: Randomized, placebo-controlled, double-blind study evaluating the effectiveness of a folic acid containing multivitamin supplement in increasing erythrocyte folate levels in young women of child-bearing age. Ann of Nutr & Metab 2005; 6.7.29: 368

Thaler CJ. Folate Metabolism and Human Reproduction. Geburtshilfe Frauenheilkd. 2014 Sep;74(9):845-851.

Über den Autor

Dr. rer. nat. Birgit Wogatzky

Die Diplom-Biologin und Ernährungsexperting Dr. rer. nat. Birgit Wogatzky befasst sich seit vielen Jahren mit den Bedürfnissen von Kinderwunschpaaren. Für den „fruchtbarkeit-blog“ berichtet sie immer wieder in allgemein verständlicher Weise von aktuellen Forschungserkenntnissen rund um das Thema „Lifestyle und Ernährung bei Kinderwunsch.

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